Zur Historiographie des Christentums in China
von Liang Qichao (1873-1929) bis Zhang Kaiyuan (geb. 1926)
Als ursprünglich „fremde Religion“, die jedoch im Lauf der Jahrhunderte Wurzeln schlug, bildet das Christentum in China ein komplexes kulturelles Phänomen. Es wurde und wird aus diversen Perspektiven betrachtet; man findet es daher in verschiedenen, mitunter sogar widerstreitenden, „Meistererzählungen“ (master narratives) der Geschichte Chinas eingebettet: So konnte das Christentum in China als Teil des kulturellen Austauschs zwischen China und dem Westen, des Vordringens imperialistischer Großmächte in China, der Modernisierung Chinas und der Entwicklung der religiösen Landschaft Chinas wahrgenommen werden. Damit gingen unterschiedliche und wechselnde Bewertungen der Geschichte des Christentums in China einher. Wie die vorliegende Studie zeigt, bildet dieses Forschungsfeld daher einen hervorragenden Indikator für den Wandel in Konzeptionen von Identität und Alterität auf kultureller und nationaler Ebene in Festland-China. Zugleich spiegeln sich darin unterschiedliche Wahrnehmung des Verhältnisses zwischen Christentum/christlichen Gemeinschaften und der chinesischen Kultur/nicht-christlichen Bevölkerung wie auch des Verhältnisses zwischen China und der westlichen Welt wider.
Am Beispiel geschichtswissenschaftlicher Diskurse über das Phänomen „Christentum in China“ werden die Wechselwirkungen zwischen historischer Forschung und Meta-Debatten über Modernisierungsmodelle bzw. Identitäts-Projekte in Festlandchina vom Anfang des 20. Jhs. bis in die frühen 2000er Jahre veranschaulicht. Im Mittelpunkt stehen dabei die relevanten Beiträge Liang Qichaos (1873–1929), Hu Shis (1891–1962) und Chen Yuans (1880–1971) sowie entsprechende Artikel in den historischen Fachzeitschriften Jindaishi yanjiu (Forschungen zur neuzeitlichen Geschichte), Lishi yanjiu (Historische Forschung) und Zhongguoshi yanjiu (Forschungen zur chinesischen Geschichte), bei deren Auswertung im Besonderen die Rolle des Historikers Zhang Kaiyuan als spiritus rector einer neuen Forschungsausrichtung gewürdigt wird.
„Wie alle Bände der Reihe Monumenta Serica zeichnet sich auch dieses Buch durch eine sehr sorgfältige Redaktion aus. Mit diesem Werk liegt eine sinologisch wie geschichtswissenschaftlich äußerst fundierte und zugleich anregend zu lesende Studie vor, die ihr Quellenmaterial geradezu vorbildhaft erschließt.“
Monika Gänßbauer in China heute
INHALT
1. Heranführung an die Thematik
1.1 Zur Fragestellung
1.2 Methodologische Erwägungen
1.3 Wissenschaftliche Relevanz des Themas
1.4 Forschungsstand
1.5 Vorgehensweise
1.6 Formales
2. Christentum in China seit dem 17. Jahrhundert
– ein missionsgeschichtlicher Überblick
3. Politische, ideengeschichtliche und kirchengeschichtliche Kontexte
3.1 Diskurse über Modernisierung, Kultur und Identität
3.2 Kontextuelle Parameter zur Wahrnehmung des Christentums in China
3.3 Geschichtstheoretische Debatten zur Funktion der Historiographie
4. Historiographie des Christentums in China
4.1 Ansätze der Republikzeit: Diskursmuster Liang Qichaos,
Hu Shis und Chen Yuans
4.2 Historiographie seit den 1980er Jahren am Beispiel der
Forschungsdiskussion in Jindaishi yanjiu, Lishi yanjiu und
Zhongguoshi yanjiu
5. Schlussfolgerungen: Argumentative Traditionslinien der Historiographie
des Christentums in China
5.1 Diskursentwicklung und –Kontinuitäten
5.2 Kanon und Zensur
5.3 Perspektivwechsel vs. Paradigma
5.4 Reflektion und Ausblick
6. Anhang
7. Literaturverzeichnis
7.1 Primärliteratur
7.2 Sekundärliteratur
7.3 Internet-Datenbanken
Index
Monumenta Serica
Monograph Series LXV